- Stadtarchiv Schwerin - MA Bürgerausschuß Signatur: MA Bestandsbildner: Bürgerausschuß / Stadtverordnetenversammlung 18 [...] Bürgerausschuß / Stadtverordnetenversammlung 1831 - 1938
Der Bürgerausschuß wurde auf Grund der " Urkunde über die Vereinigung der Alt- und Neustadt Schwerin zu einem Gemeindeverbande und über die hierdurch erforderlichen näheren Bestimmungen in Verwaltung und Verfassung der Stadt " geschaffen. Die Verhandlungen hatten sich Jahrzehnte hingezogen. Am 9.3.1814 empfahl die Regierung, den wiederholten Antrag des Magistrates der Altstadt auf Vereinigung beider Städte hinhaltend zu behandeln ( in einem direkt an den Herzog gerichteten von diesem eingeforderten Gutachten ). Anscheinend war die Regierung grundsätzlich nicht dagegen; anders ist es wohl kaum zu erklären, daß die Stelle des 1816 verstorbenen neustädtischen Bürgermeisters Schnelle fast vier Jahre nicht wiederbesetzt wurde. Statt dessen erfolgte kommissarische Verwaltung, und zwar zuerst sogar durch einen Senator der Altstadt, Karl Wilhelm Krüger.
Warum es damals nicht zur Vereinigung kam, geht aus den Akten nicht hervor. Zwar liegt ein Protestschreiben der beiden neustädtischen Stadträte J.D.E. Schulze und J.F. Kittel ( mehr als die beiden gab es damals nicht, es war also praktisch der gesamte Rat ) vor, aber das dürfte kaum ausschlaggebend gewesen sein. Der wahre Grund dürfte bei Friedrich Franz I. gelegen haben, Jedenfalls erklärte er in einem Schreiben vom 30.10.1824, in dem er einen neuen, ihm persönlich überreichten Antrag, der Regierung zur Prüfung überweist, wörtlich: "Obgleich ich nie für die Vereinigung beider Städte gewesen bin...." empfehle ich doch sorgfältige Prüfung.
Die Prüfung erfolgte so gründlich, daß eine Antwort erst am 21.09.1827 erfolgte. Eine klare Entscheidung war nicht enthalten. Immerhin wurde am 17.12.1827 ein Kanzleirat Müller mit "unverbindlichen" Vorarbeiten beauftragt. Die Antragsteller, es waren diesmal beide Räte gemeinsam gewesen, erfuhren davon überhaupt nichts. Jedoch scheint aus nicht ersichtlichen Gründen Friedrich Franz inzwischen seine Ansicht geändert zu haben. Am 29.03. 1829 ernannte er den Landdrost von Plessen zum offiziellen Beauftragten für Verhandlungen mit den beiden Räten. Seitens der Altstadt war Verhandlungspartner der Stadtsyndicus Dr. Knaudt, von der Neustadt Bürgermeister Floercke. Diese Kommission legte am 19.03.1831 einen Entwurf vor , der am 23.11.1831 angenommen wurde. Allerdings scheint die Regierung schon vorher fest entschlossen gewesen zu sein, die Vereinigung zu Stande zubringen. Denn schon im Juli 1831 wurde auf Anordnung der Regierung in Schwerin ein Bürgerausschuß gewählt, mit der ausdrücklichen Aufgabe sich über den Entwurf vom März zu äußern und etwaige Gegenvorschläge zu machen. So gab es das Kuriosum, daß der erste Bürgerausschuß in Schwerin auf Grund einer noch gar nicht existierenden Verordnung gewählt wurde, denn er blieb nach Inkrafttreten der Urkunde als stadtverfassungsmäßiger Bürgerausschuß im Amt. Er machte zwar einige Ergänzungsvorschläge, hat aber anscheinend die prinzipiellen Schwächen des Entwurfs nicht anerkannt, vor allem die unklare Stellung zum Magistrat, die dann später eine Quelle unendlicher Kompetenzstreitigkeiten wurde. Am 28.01.1832 wurde der noch einmal überarbeitete Entwurf von Friedrich Franz unterzeichnet und damit rechtsgültig. (Das vorstehende nach Akten des Archivs Schwerin, Ministerium des Inneren, Nr. 4161)
Die "Urkunde" , die mit nur geringfügigen Änderungen, die zu dem nichts Grundsätzliches betrafen, bis 1919 (genau bis 30.06.) in Kraft blieb, befaßt sich in den § 76 bis 129 mit dem Bürgerausschuß. Hierzu muß man wissen, daß "Bürger" damals ein terminus technicus war; bei weitem nicht jeder, der damals in Schwerin wohnte, war Bürger. § 77 sagt ausdrücklich " Bürger ist derjenige, der das Bürgerrecht besitzt". Die Erlangung des Bürgerrechts war aber an Voraussetzungen geknüpft, der Betreffende mußte " mit Haus und Herd ansässig sein. Das heißt, er mußte eigenes Haus und eigenen Hauhalt haben. Das Bürgerrecht wurde nämlich nur an das Familienoberhaupt verliehen, seine Angehörigen waren nicht Bürger. Aber auch Hausbesitzer mit eigenem Haushalt waren nicht in jedem Fall Bürger. Die Einwohnerschaft Schwerins gliederte sich nach dem Stand von 1832 in Bürger, Einwohner, Eximierte, Schutzbürger, Militärpersonen und einen nicht mit besonderem Titel versehenen Rest, der in sich noch wieder sehr Verschiedenes umfaßte.
Bürger waren, wie schon gesagt, Hausbesitzer mit eigenem Haushalt, Sie hatten das allgemeine Recht, "bürgerliche Nahrung" zu betreiben, d.h. Handel und Handwerk. Sie trugen die vollen städtischen Lasten, hatten dafür aber auch gewisse Rechte gegen die Stadt , vor allem Kranken- und Altersversorgung. Einwohner waren ständig in Schwerin ansässig, wohnten aber nicht in eigenen Häusern sondern zur Miete, ob eigener Haushalt oder nicht war gleichgültig. Sie konnten in "nichtbürgerlichen" Berufen selbständig arbeiten, z.B. als Fuhrleute, Fischer, Lohndiener, Stellenvermittler usw., oder als Arbeiter oder Angestellte in einem Arbeitsverhältnis stehen. Sie trugen die vollen städtischen Lasten ,hatten aber nicht die vollen Rechte der Stadt gegenüber. Landwirtschaft und Gärtnerei waren an sich nicht "bürgerlich", da sie sich aber von einer Mietwohnung aus schlecht betreiben ließen, waren die "Ackerbürger" meist als Hausbesitzer doch Bürger. Überhaupt durften Bürger durchaus auch "nichtbürgerliche" Berufe ausüben, während Einwohner keine "bürgerliche Nahrung" treiben durften.
Bei den Eximierten muß man zwei Gruppen unterscheiden. Einmal waren es die Träger akademischer Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Pastoren, Lehrer nur zum Teil., zum anderen die höheren Regierungsangestellten und Hofchargen.
Sie konnten eigene Häuser besitzen oder zur Miete (bzw. in Dienstwohnungen) wohnen und durften keine "bürgerliche Nahrung" treiben. Städtische Lasten trugen sie nur in beschränkten Umfang, hatten dagegen auch keine Rechte gegen die Stadt.
Schutzbürger waren ständige Bewohner nicht christlichen Glaubens, d.h. also praktisch nur Juden. Sie konnten eigenen Häuser besitzen und in gewissen Umfang bürgerliche Berufe ausüben. Rechtlich waren sie allerdings den Bürgern nicht gleich gestellt. Sie zahlten städtische Lasten, allerdings in anderer Form als die Bürger, hatten aber keine Rechte gegen die Stadt. Diese Kategorie wurde 1849 abgeschafft und die bisherigen Schutzbürger in die jeweils zutreffende Kategorie einrangiert.
Das Militär bildete eine abgeschlossene Körperschaft, zahlte keine städtischen Lasten und hatte keine Rechte gegen die Stadt.
Der nicht titulierte Rest umfaßte danach einmal alle Familienangehörigen, solange sie keinen eigenen Erwerb hatten, alle zum Haushalt gehörenden Personen, also persönliche Dienerschaft, Stubenmädchen, Köchinnen usw. ,soweit sie im Haus wohnten, Lehrlinge (die damals meist noch beim Meister wohnen mußten), Gesellen ( falls sie keine eigene Wohnung hatten) und darüber hinaus alle, die sich in den genannten Kategorien nicht unterbringen ließen.
Aktives wie passives Wahlrecht zum Bürgerausschuß hatten nur Bürger und diejenigen Eximierten, die das Bürgerrecht erwarben. Das wurde ihnen durch die " Urkunde" ermöglicht, ohne daß sie deswegen ihre Stellung als Eximierte aufgeben brauchten (§ 80 ) vielmehr blieben sie, mit alleiniger Ausbescheidung ihrer Teilnahme an der Stadtverwaltung, den übrigen Eximierten völlig gleich. Regierungs- und Hofchargen haben davon nicht sehr viel Gebrauch gemacht, dagegen drohte der Bürgerausschuß mehrmals zu einer Art Rechtsanwaltskammer zu werden. Vom Stimmrecht ausgeschlossen waren 1.) Mitglieder des Magistrats, sowie alle Stadtoffizianten (1849 aufgehoben), 2.) wer mit den Stadtabgaben über ein Jahr im Rückstand war, 3.) wer unter Vormundschaft stand, 4.) wem durch gerichtliches Urteil die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt waren, 5.) wer Konkurs gemacht hatte oder das Armenrecht in Anspruch nahm, 6.) wer wegen eines ehrenrührigen Verbrechens verurteilt worden war ( gleichgültig, wie lange her) und 6.) jüdische Glaubensangehörige ( traf für Schwerin gar nicht zu, da hier Juden nicht Bürger erden konnten; diese Einschränkungen sind aus einem Landesgesetz wörtlich übernommen). Das wurde 1849 geändert. Soweit Juden in die Kategorie " Bürger" eingestuft wurden, erhielten sie aktives wie passives Wahlrecht.
Die Wahl erfolgte auf sechs Jahre und mußte angenommen werden - auch ohne vorherige Befragung. Ablehnen durften nur Ärzte, Chirurgen, Geistliche, Lehrer, großherzogliche Diener, ferner wer über 60 Jahre alt war, Schwerkranke ohne Aussicht auf Besserung in absehbarer Zeit und wer schon einmal Bürgerausschußmitglied gewesen war. Von dieser Befugnis wurde unterschiedlich Gebrauch gemacht. Geistliche lehnten anscheinend grundsätzlich ab, jedenfalls ist in all den Jahren von 1831 bis 1919 nicht einer im Bürgerausschuß gewesen. Lehrer waren selten, Ärzte dagegen fast immer vertreten, wenn auch nicht sehr zahlreich. Von der Ablehnung einer zweiten Wahl wurde weniger Gebrauch gemacht. Nachdem die nötige Zeit vergangen war, fanden sich im Bürgerausschuß erstaunlich hohe Dienstalter (bis zu 40 Jahren) in gar nicht so geringer Zahl. Freilich lag das zum Teil auch an dem geringen Interesse der meisten Schweriner Wahlfähigen. Die meisten waren froh, wenn sich irgend jemand anders dazu bereitfand, und wählten so ziemlich jeden, der sich dazu bereit erklärte, so oft wieder, wie er wollte. Denn es hatte sich bald herum gesprochen, daß die Stellung eines Bürgerrepräsentanten (so die offizielle Bezeichnung) materiell gar nichts und ideell auch nicht viel einbrachte. Der Posten war ehrenamtlich, erforderte einigen Zeitaufwand und Entscheidungskompentenzen.
Auch die Wahlbeteiligung war gering, so gab es z.B. 1845 zwar 1112 Wahlberechtigte (das waren allerdings nur rund 9,5% der Einwohner). Davon wählten ganze 94 = 8,8% der Wahlberechtigten = 0,5% der Bewohner.
Um die Zahlen etwas zu heben, wurden 1848 auch die "rezipierten Einwohner"(d.h. der etwas besser gestellte Teil der "Einwohner" im vorgedachten Begriff) wahlberechtigt, ferner alle akademischen Gebildeten, alle Beamten im Stadtdienst und alle " Rentiere" (d.h. Personen, die ohne zu arbeiten von ihrem Vermögen lebten). Viel half es nicht. Die Wählerzahl stieg zwar zunächst einmal ziemlich stark, wahlberechtigt waren dadurch 1848 rund 18 % der Einwohner, davon wählten 1475 = 42 % der Wahlberechtigten = 7,1 % der Einwohner, aber diese Zahl wurde erst nach 1900 wieder erreicht. Zunächst einmal ging die Zahl der Wählenden stark zurück, obwohl die Zahl der Wahlberechtigten etwa gleich blieb. 1855 wählten ganze 109 Mann, d.h. prozentual noch weniger als 1845.
Mit der Übernahme der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1868 und später weiterer Bundes- bzw. Reichsgesetze wurde der Begriff der "bürgerlichen Nahrung" abgeschafft. Damit entfiel für viele Schweriner der Anreiz zum Erwerb des Bürgerrechts. Trotz steigender Einwohnerzahl sank damit die Zahl der Wahlberechtigten. 1880 waren es nur noch 2300 bei 30146 Einwohnern (davon wählten 336, also etwas über 1 %). Nach dem schon seit 1879 verhandelt worden war ( allerdings mit jahrelangen Unterbrechungen), wurde 1887 der Aufnahmemodus für Bürger geändert. Erklärtes Ziel war, die Zahl der "Bürger" zu erhöhen, deshalb wurden die Bedingungen gelockert. Da jedoch mit dem Bürgerrecht kaum noch materielle Vorteile verbunden waren, hatte diese Aktion nicht viel Erfolg, wenn auch wenigstens die Abnahme der Wählerzahl damit gebremst werden konnte. Dafür stieg ab etwa 1900 das Interesse der Wähler, 1910 wählten sogar über 50 % der Berechtigten, was - soweit Zahlen vorhanden sind - noch nie dagewesen war. Allerdings waren auch das erst rund 4 % der Einwohner. 1913 wurde noch einmal versucht, den Kreis der Wahlberechtigten zu erweitern, jedoch konnten sich Magistrat und Bürgerausschuß nicht einigen, so daß die Verhandlungen ergebnislos blieben.
Die Zahl der Bürgerrepräsentanten war 1832 auf 30 festgesetzt worden, jedoch mit dem Zusatz, daß die Zahl bei starkem steigen der Einwohnerzahl erhöht werden sollte. In Wirklichkeít waren es von Anfang an mehr als 30, denn es hatte auch schon vor 1832 so eine Art Bürgervertretung gegeben, in der Altstadt die nach ihrer Zahl benannten "16 Männer" , in der Neustadt die vier "Viertelsmänner". Diesen insgesamt 20 Mann wurde freigestellt, ohne Wahl in den Bürgerausschuß einzutreten (zusätzlich zu den neugewählten 30). Allerdings machten nicht alle davon Gebrauch. Die erste reguläre Erhöhung erfolgte 1848 und zwar auf 45, eine zweite, kleinere 1887 auf 50. Dabei blieb es bis 1919.
Der Bürgerausschuß war von Seiten der Regierung im wesentlichen als ein Finanzkontrollorgan gedacht. Hier lag in den mecklenburgischen Städten einiges im Argen. Auch Schwerin hatte da seine Erfahrungen, wenn sie auch schon etwas zurücklagen. In den 20 Jahren zwischen 1770 und 1790 waren nicht weniger als drei Senatoren bei Unterschlagungen von städtischen Geldern erwischt worden, ( Martiensen, A. Stemwede, Guhl).
Selbst ein Mann wie Bürgermeister Kahle, der als Muster von Genauigkeit und Ordnung galt, und es für die Verhältnisse wohl auch war, merkte erst, als er kurz vor seinem Tod seine Privatpapiere ordnete, daß sich darunter eine größere Barzahlung für die Stadt befand, die er vor über 20 Jahren empfangen hatte. Als ehrlicher Mann meldete er das selbst, aber für viele war die Versuchung wohl zu stark. Überhaupt war es in Schwerin üblich, daß ein Bürgermeister oder Senator städtische Gelder , die er zu verwalten hatte erst abrechnete, wenn er die betreffende Funktion abgab. Da die meisten bis zum Tod im Amt blieben, wurde häufig erst bei der Nachlaßregulierung klar, was Privat- und was städtisches Geld war.
Das sollte jetzt geändert werden. Die neugeschaffene Stadtkasse , durch die alle städtischen Zahlungen und Einnahmen zu gehen hatten, mußte jährlich abrechnen und die Rechnung dem Bürgerausschuß zur Prüfung vorlegen. Sowohl der jährlich aufstellende Stadthaushalt, als auch jede größere außerordentliche
Ausgabe mußten vom Bürgerausschuß mitgenehmigt werden, desgleichen Schaffung neuer Ausgabepositionen, Aufnahme von Anleihen, Verkauf städtischer Grundstücke, kurzum alles, was mit größeren Geldsummen - gleich ob Einnahmen oder Ausgaben - verbunden war, hier lag eine Quelle häufigen Ärgers zwischen Magistrat und Bürgerausschuß, denn was war eine - wie es im § 123 der "Urkunde" heißt - "irgend bedeutende Ausgabe"? Auch sonst war der so wichtige § 123 mit der Überschrift "Wann ist Zustimmung des Ausschusses erforderlich" in den Formulierungen recht unscharf und allgemein. Die Verfasser der Urkunde wollen offenbar nicht durch die Aufzählungen von zuviel Einzelheiten unübersichtlich wurden. Mit ihren allgemein gehaltenen Formulierungen schufen sie aber dafür eine Quelle endloser Streitigkeiten, ob Mitbewilligung im konkreten Fall erforderlich sei.
In all den genannten Fällen -zu denen übrigens auch Änderungen oder Neueinführung städtischer Steuern und Abgaben gehörten- konnte der Bürgerausschuß allein keine bindenden Entschlüsse fassen. Die Initiative lag beim Magistrat, der die Anträge stellte, der Bürgerausschuß konnte nur ja oder nein sagen bzw. Änderungswünsche anmelden. An und für sich konnte zwar der Bürgerausschuß Anträge an den Rat stellen (§115 der Urkunde), jedoch war der Magistrat nicht verpflichtet, darauf einzugehen. Seit Ende 1850 tat er es prinzipiell nie, vorher von Fall zu Fall. Stimmte der Bürgerausschß zu - dazu war Mehrheit der Anwesenden erforderlich, wenn Beschlußfähigkeit bestand, d.h. wenn mindestens die Hälfte aller Mitglieder anwesend war-, war der Antrag zum rechtskräftigen Beschluß geworden. Allerdings gab es auch Fälle, in denen der Beschluß erst nach Zustimmung der Regierung rechtskräftig wurde.
Konnten sich Bürgerausschuß und Magistrat nicht einigen, so geschah entweder gar nichts, die betreffende Sache blieb liegen, oder es kam zum Recurs, d.h. zur Beschwerde beim Innenministerium. Recurs ergreifen konnten beide Seiten, es ist von dieser Möglichkeit auch beiderseits ausgiebig Gebrauch gemacht wurden. Der Recursentscheid des Innenministeriums war praktisch endgültig. Zwar gab es noch die Möglichkeit der Remonstration, d.h. der Beschwerde gegen den Recursentscheid. Sie ging an das Staatsministerium . Es zeigte sich jedoch bald, daß dies nutzlos war, das Staatsministerium bestätigte grundsätzlich den Recursentscheid des Innenministeriums. Remonstrationen wurden deshalb bald selten und waren eigentlich nur noch als Mittel gedacht, den eigenenStandpunkt mit möglichst viel Aufsehen aktenkundig zu machen. Praktische Wirkung hatten sie nicht.
Das Vorstehende bezieht sich auf die dem Bürgerausschuß durch § 123 zugewiesenen Mitgenehmigungsbefugnisse in Finanzangelegenheiten, also seine Hauptaufgabe. Daneben hatte der Bürgerausschuß noch eine zweite Funktion und zwar bei der Wahl der Ratsmitglieder .Die " Urkunde" unterschied zwei Kategorien von Senatoren, geschäftsführende und beratende. Die geschäftsführenden Senatoren waren hauptamtlich angestellt, jeglicher Nebenerwerb war ihnen untersagt, nur unbezahlte Ehrenämter durften sie neben ihrer Tätigkeit als Senator führen.
Die Wahl erfolgte auf die Art, daß der Magistrat drei Kandidaten benannte, der Bürgerausschuß wählte aus diesen drei den neuen Senator . Beratende Senatoren behielten ihren bisherigen Beruf bei, erhielten dafür ein wesentlich geringeres Gehalt ( rund 1/5 der geschäftsführenden). Sie nahmen an allen Ratssitzungen mit vollem Stimmrecht teil, brauchten aber , um genügend Zeit für ihren Beruf zu behalten, nur bestimmte, nicht allzu zeitaufwendige Ressorts zu übernehmen. Das Wahlverfahren war umgekehrt wie bei den geschäftsführenden. Der Bürgerausschuß benannte drei Kandidaten, der Magistrat wählte den neuen Senator aus diesen dreien. Solche Wahlen waren indessen relativ selten, da beide Kategorien auf Lebenszeit gewählt wurden und meist auch bis zum Tod oder bis zur Pensionierung im Amt blieben.
Die "Urkunde.." sieht kein Widerspruchsrecht gegen die benannten Kandidaten oder die erfolgte Wahl vor. Soviel bekannt, ist hierüber auch nur ein einziges Mal Streit gewesen. Im Februar 1851 lehnte der Magistrat unter ziemlich fadenscheiniger Begründung gleich zwei der drei Kandidaten für einen bezahlten Senator ab. In Wahrheit waren beide politisch unerwünscht, der Rat stand seit Oktober 1850 wieder fest zur Regierung. Es waren der eben erst in offizieller Ungnade entlassene Hofbaurat Demmler und der Redakteur Dr. Wenzlaff von der linksgerichteten "Neuen Schweriner Zeitung". Der Streit wurde nicht durchgefochten, Wenzlaff verzog nach Berlin und fiel damit als Kandidat sowieso aus, Demmler mochte wegen seiner Reisepläne keine große Lust auf den Posten haben, jedenfalls trat er kampflos zurück, woraufhin denn auch der dritte Kandidat - der Bildhauer Petters, auf die Nominierung verzichtete. Da dem Bürgerausschuß daran lag, die Stelle möglichst bald wieder besetzt zu sehen, verzichtete er auf prinzipielle Klärung und benannte drei politisch nicht so exponierte Kandidaten (auch der vom Magistrat nicht beanstandete Petters hatte im Reformverein eine ziemliche Rolle gespielt).
An der Wahl der Bürgermeister war der Bürgerausschuß nicht beteiligt, sie erfolgte ausschließlich durch den Magistrat (§134). Nur falls sich der Magistrat nicht einigen konnte, sollte der Bürgerausschuß eingeschaltet weder (§135). Der Fall ist aber in den 87 Jahren, die die "Urkunde.." in Gültigkeit war, nie eingetreten. Bei der Ernennung des Stadtsekretärs und des Stadthauptkassierers (beide durch den Magistrat) brauchte der Bürgerausschuß lediglich befragt werden, ob von der Qualifikation - nicht von der Person- her Bedenken bestünden. Ob der Bürgerausschuß Bedenken äußerte oder nicht, war übrigens gleichgültig, da sich der Magistrat nicht darum zu kümmern brauchte und es in den wenigen Fällen, in denen es geschah, auch nicht tat. Die Eistellung aller anderen städtischen Beamten wurde dem Bürgerausschuß nur als Tatsache nachrichtlich mitgeteilt.
In den beiden genannten Punkten- Finanzfragen und Wahl der Senatoren - war die Stellung des Bürgerausschusses dem Magistrat gegenüber ziemlich eindeutig festgelegt. Ganz unklar dagegen waren die Bestimmungen des § 123 "Die Zustimmung des Bürgerausschusses ist erforderlich: a.) zu allen Hauptmaßregeln der Verwaltung.......b.) zu allgemeinen Anordnungen im Kommunalwesen".
Hier war praktisch alles Auslegungssache, und Kompetenzstreitigkeiten wären nur bei sehr viel gutem Willen beiderseits vermeidbar gewesen. Meist fehlte es aber daran. Immerhin lassen sich aber verschiedene Perioden unterscheiden.
Von 1832 bis 1850 war das Verhältnis zwischen Bürgerausschuß und Magistrat trotz vorhandener Differenzen leidlich. Vor allem während der Amtsführung von Bürgermeister Kahle - bis 1843- spürt man deutlich den Willen , auch bei gegenteiligen Ansichten sachlich zu bleiben und vor allem Prestigefragen zu vermeiden. Auch nach dem Tode Kahles, der zweifellos sein persönliches Ansehen für diesen Kurs eingesetzt hatte , blieb ein relativ gutes Einvernehmen. Magistrat wie Bürgerausschuß bewegten sich in ihrer Mehrheit auf der Linie eines gemäßigten, nicht sehr kampfbereiten Liberalismus und sahen keinen Anlaß, sich zur Freude der
Konservativen zu zerstreiten. Dazu kam, daß die meisten der seit 1832 gewählten Senatoren vorher Bürgerrepräsentanten gewesen waren und aus der Zeit persönliche Kontakte zum Bürgerausschuß hatten
(Strempel, Mahnke, Voss, Juhr, Schwencke). Wie gut Magistrat und Bürgerausschuß politisch übereinstimmten, zeigte sich anläßlich des Antrags Pogge auf Verfassungsänderung auf dem Landtag von 1847. Als der Bürgerausschuß den Magistrat aufforderte, den städtischen Delegierten anzuweisen, dafür zu stimmen, ergab sich, daß der Magistrat das bereits getan hatte. Auch die Entsendung des Senators Pohle zum Vorparlament nach Frankfurt/ Main im Frühjahr 1848 geschah im gegenseitigen Einvernehmen. Freilich gab es daneben auch Differenzen, so in der Frage der Instruktion des Landtagsdeputierten (1848) und der in Frankfurt ausgearbeiteten Deutschen Verfassung (1849), aber noch war die Übereinstimmung größer. Am 29.02.1850 nahm der Bürgerausschuß auf Antrag Demmler eine an die Regierung gerichtete Resulation zum Schutz der mecklenburgischen Verfassung von 1849 an, der Magistrat schloß sich an.
Am 11.09.1850 (in Mecklenburg amtlich erst am 14.09. verkündet) wurde durch den Freienwalder Schiedsspruch die Verfassung von 1849 aufgehoben. In der nächsten Sitzung -am 23.September 1850- nahm der Bürgerausschuß von Demmler, Marcus, Büchner, Martens, Petters, Havemann, Kniesch eine Entschließung an, die die 49 er Verfassung trotzdem als weiterhin gültig erklärte. Büchner, der den sofort nach Bekanntwerden verfaßten Antrag mit unterschrieben hatte, fehlte bei der Abstimmung, er war inzwischen auf die Regierungslinie umgeschwenkt. Überhaupt fehlten ziemlich viele, die Anwesenden nahmen einstimmig an. Die Resolution ging mit der Aufforderung zum Beitritt an den Magistrat. Hier hatte sich aber inzwischen das Kräfteverhältnis verschoben. Der Magistrat hatte ja - genau wie übrigens auch der Bürgerausschuß - nie einstimmig die liberale Richtung gebilligt. Nach der damaligen Geschäftsordnung entschied die Mehrheit, bei den neuen Mitgliedern genügte also ein Stimmenverhältnis von 5:4. Das heißt aber, daß der Übertritt eines einzigen Ratsmitgliedes zur anderen Partei sofort den Kurs entscheidend ändern Konnte. Das war offenbar inzwischen geschehen, wahrscheinlich war es Juhr gewesen. Es gibt keinen direkten Beweis dafür, weil der Magistrat um jene Zeit kein Protokoll führte, aber spätere Äußerungen sowohl von Juhr selbst als auch von anderen, die es eigentlich wissen mußten, geben dieser Vermutung große Wahrscheinlichkeit.
Der Brief , in dem der Magistrat den Vorschlag ablehnte, war jedenfalls in einen Ton gehalten, der bis dahin den beiden Körperschaften unbekannt gewesen war, jetzt allerdings auf Jahre hinaus zur Regel wurde. Indem verhältnismäßig kurzen Schreiben taucht das Wort "Obrigkeit" fast ein Dutzend Mal auf, womit der Magistrat seine Stellung dem Bürgerausschuß gegenüber bezeichnet. Außerdem wird der Vorsteher, an den das Schreiben gerichtet ist, regelrecht abgekanzelt und mit Grobheiten bedacht. Es fehlt nur noch die Strafanordnung, die erscheint erst einige Jahre später im Schriftverkehr.
Damit war die Frage aufgeworfen, Unter- oder Nebenordnung des Bürgerausschusses. Die Frage war bisher in der Schwebe gelassen worden, nach diesen massiven Angriff war sie nicht mehr zu umgehen. Nur erhielt sie durch diesen Brief und die zwar nicht ganz so grobe, aber in der Sache auch recht scharfe Antwort des Bürgerausschusses sofort eine unsachliche, polemische Form und wurde in der Folgezeit mehr und mehr eine Prestigefrage. Die Fronten verhärteten sich schnell. Dabei zeigte sich sehr bald, wie schwach im Grunde die Stellung des Bürgerausschuß war. Um das Ergebnis vorwegzunehmen, der Magistrat siegte auf der ganzen Linie, nicht zuletzt dank der Unterstützung der Landesregierung. Denn wenn auch zwischen Magistrat und Landesregierung durchaus keine volle Harmonie herrschte, wenn es gegen den Bürgerausschuß ging, konnte der Magistrat sicher darauf rechnen, Recht zu bekommen. Die obrigkeitliche Stellung des Magistrats dem Bürgerausschuß gegenüber wurde ausdrücklich anerkannt, einschließlich der Polizeibefugnis, d.h. der Verhängung von Ordnungsstrafen. Sämtliche unklare Formulierungen der "Urkunde" wurden gegen den Bürgerausschuß ausgelegt, mit der Einhaltung der klaren wurde es nicht so genau genommen, wenn der Magistrat der schuldige Teil war. Übrigens ging die Regierung noch weiter als der Magistrat. In einem Erlaß vom 20.11.1860 bedroht die Regierung die Mitglieder des Bürgerausschusses mit Geldstrafe, den Vorsteher mit Gefängnis, falls der Bürgerausschuß es noch einmal wagen sollte, über Dinge zu verhandeln, für die er nicht zuständig sei (es ging um die Verfassungsfrage). Der Magistrat erhielt den Auftrag, die Einhaltung zu überwachen. Noch 1908 wurde auf Grund dieses Erlasses eine Diskussion über Zollfragen unter Strafanordnung vom Magistrat verboten. Der Recurs des Bürgerausschusses war , wie alle Recurse des Bürgerausschusses seit 1850, erfolglos. Der Magistrat bekam Recht. Ein Bespiel für die Vergehensweise des Magistrates. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt wurde Bürgermeister Westphal zum Ehrenbürger ernannt. Der Bürgerausschuss hatte ihm einen schriftlichen Glückwunsch übermittelt. Darauf füllte sich der Magistrat veranlaßt, dem Bürgerausschuß schriftlich mitzuteilen, erstens habe der Bürgerausschuß schriftlichen Dienstverkehr ausschließlich mit dem Magistrat zu führen und niemand sonst ( Recursfälle ausgenommen) und zweitens habe der Magistrat bereits im Namen der Stadt Glückwünsche ausgesprochen, das sei vollkommen ausreichend, die Stadt werde durch den Magistrat vertreten und nicht durch den Bürgerausschuß. Der Bürgerausschuß habe daher künftig derartige Kompetenzüberschreitungen zu unterlassen.
Wie schlecht, ja geradezu feindselig das Verhältnis zwischen Magistrat und Bürgerausschuß war zeigt ein Ratsbeschluß, nach dem es der Magistrat ablehnte, bei offiziellen Feierlichkeiten gemeinsam mit dem Bürgerausschuß aufzutreten. Wann er gefaßt wurde, ist unbekannt, 1887 gab es deswegen Streit innerhalb des Magistrats. Der Beschluß muß damals schon ziemlich alt gewesen sein, die dienstjüngeren Senatoren wußten nichts davon, er war vor ihrem Eintritt und selbstverständlich nicht veröffentlicht worden.
Der Beschluß scheint weiterbestanden zu haben. Jedenfalls ist es kaum anders zu erklären, daß der Magistrat sich schroff weigerte, 1911 an der 750 Jahrfeier der Stadt teilzunehmen. Die Anregung kam von einer privaten Kommission, der Bürgerausschuß unterstützte den Plan lebhaft. Es kamen denn auch einige Feierlichkeiten zustande, aber der Magistrat nahm an keiner einzigen teil.
Die praktisch einzige Möglichkeit, sich für derartige Beweise von Mißachtung zu revanchieren, bestand in einer oft kleinlich wirkenden Nadelstichpolitik in finanziellen Fragen. Vor allem um Gehaltsverbesserungen mußten die Magistratsmitglieder schwer und lange kämpfen, dergleichen um die Schaffung neuer Stellen für Juristen. (Der Magistrat bestand nach der " Urkunde.." aus sechs Juristen und drei Mann beliebiger Ausbildung. Die juristische Mehrheit hat nun immer wieder versucht, auch nach den fehlen Nichtjuristen zu verdrängen, während der Bürgerausschuß versuchte, möglichst weitere Nichtjuristen in den Magistrat hineinzubekommen.) Im allgemeinen saß auch hier der Magistrat am längeren Hebel. Einmal erlebte er allerdings eine Niederlage. Seit 1859 schwebten Verhandlungen über Gehaltserhöhung der Magistratsmitglieder. Der Bürgerausschuß war im Prinzip einverstanden und machte einen Vorschlag. Der Magistrat lehnte aus Prinzip ab und forderte mehr. Bis 1864 "inhävierten" beide Seiten, wie man damals sagte, d.h. beharrten auf ihren Ansichten. 1864 ergriff der Magistrat Recurs, die Regierung beauftragte den Bürgermeister von Parchim, Floerke, ein Gutachten anzufertigen, sicher in der Hoffnung auf Unterstützung. Aber Floerke war ein sparsamer Mann. Sein Vorschlag lag unter dem, was der Bürgerausschuß hatte bewilligen wollen und wurde vom Innenministerium zum Recursentscheid erhoben. In dem Remonstrationsschreiben sah der Magistrat deshalb genötigt, auf den von ihm selbst abgelehnten Vorschlag des Bürgerausschusses zurückzugreifen. Die Regierung möge doch wenigstens soviel bewilligen, wie der Bürgerausschuß hatte geben wollen. Aber Remonstrationen wurden vom Staatsministerium grundsätzlich abgelehnt, so auch diese.
Freilich erreichte der Magistrat später doch weitere Erhöhungen, meist dadurch, daß er die Forderung mit anderen Anträgen koppelte, an deren Erfüllung dem Bürgerausschuß gelegen war. Nur einmal erreichte der Bürgerausschuß einen halben Erfolg, in der Frage des Stadtbaurats. Der Magistrat wollte einen Stadtbaumeister als städtischen Angestellten, der Bürgerausschuß einen Stadtbaurat als Ratsmitglied. Nach mehrjährigen Hin und Her einigte man sich auf einen Kompromiß. Der bisherige Ratsbaumeister Junglöw wurde voll Stimmberechtigtes Ratsmitglied, dafür bewilligte der Bürgerausschuß eine weitere Justitzstelle. Anders war nichts zu erreichen, das berufsständische Denken der Magistratsjuristen war zu stark . In einem Brief an den Bürgerausschuß erklärte die Juristenmehrheit ganz klar und eindeutig, daß sie sich mit jedem irgend passenden Mittel bis zum äußersten gegen eine nichtjuristischen Mehrheit wehren würden. In dieselbe Linie fällt auch der Versuch, den Nichtjuristen Tackert von der Wahl zum Bürgermeister auszuschließen (1898) und der gleiche Versuch für die Stelle des Stadtbaurats (1900). In diesen beiden Fällen mißlang es, früher bei Senator Voß war es gelungen. Nach einem - allerdings ungeschriebenen- Schweriner Stadtrecht wurden die Bürgermeister grundsätzlich nur aus der Zahl der geschäftsführenden Senatoren gewählt, und zwar nach dem Dienstalter. Einziger Nichtjurist unter den Geschäftsführenden war der Kammerarius, also damals Voß. Bereits 1858 war Voß der Dienstälteste geschäftsführende Senator, hätte also nach dem erwähnten ungeschriebenen Gesetz Bürgermeister werden müssen. Er wurde es aber nicht, sondern ein dienstjüngerer Jurist. Dasselbe geschah noch zweimal, 1866 und 1870. Anscheinend hat der Bürgerausschuß das damals hingenommen, im Fall Tackert protestierte er, und zwar mit Erfolg, da sich die Juristenmehrheit anscheinend selbst nicht so ganz sicher fühlte.
Nach der "Urkunde.." waren die Sitzungen des Bürgerausschusses geheim (§101 "Nur die Repräsentanten dürfen den Sitzungen des Bürgerausschusses beiwohnen").Lediglich der Magistrat hatte das Recht, entweder Beobachter aus seinen Regime zu schicken oder auch gemeinsame Sitzungen anzusetzen. Allzu häufig war das nicht, meistens erfolgte der Verkehr zwischen Magistrat und Bürgerausschuß schriftlich. Auf gemeinsamen Antrag von Magistrat und Bürgerausschuß gestaltete die Regierung mit Schreiben vom 11. November 1848 auch öffentliche Sitzungen. Praktisch wurde es so, daß die öffentlichen Sitzungen das normale wurden, nur auf besonderen Antrag wurden einzelnen Punkte unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt. Jedoch blieb die Bestimmung des § 113 der Urkunde in Kraft, wonach die Tagesordnung dem Magistrat schriftlich vor der Versammlung mitgeteilt werden mußte. Ursprünglich war das nur informatorisch gedacht, 1860 wurde der Magistrat von der Regierung beauftragt, alle unerwünschten Themen unter Strafandrohung zu verbieten. Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit abgeschafft ( Schreiben vom 20.11.1860). Hierüber hatte es schon seit 1858 ohne Wissen -zumindest ohne offizielle Benachrichtigung - Des Bürgerausschusses Verhandlungen zwischen Regierung und Magistrat gegeben. Die Regierung forderte Abschaffung der Öffentlichkeit, der Magistrat weigerte sich, das von sich aus zu verfügen. Schließlich erließ die Regierung selbst das Verbot, letzter Anlaß war ein vom Bürgerausschuß angenommener Antrag Demmlers auf Verfassungsreform. Der Magistrat protestierte gegen das Verbot , als das nichts half, wandte er sich sogar um
Unterstützung an den städtischen Konvent (d.h. die Landständische Korporation der mecklenburgischen Städte ). Dieser lehnte jedoch mit 21 gegen 11 Stimmen ab.
Trotz gelegentlicher Versuche, die Öffentlichkeit wiederherzustellen ( 1895 und 1905 ) blieb es bis zum Ende des Bürgerausschusses bei der Verordnung. Viel geholfen hat sie übrigens nicht, jedenfalls weigerte sich der Magistrat einmal, bestimmte Akten zur Einsicht vorzulegen, "weil ja bekanntlich alles, was im Bürgerausschuß verhandelt wurde, am nächsten Tag in der Zeitung steht". Das "alles" war nun zwar Übertreibung, aber vorgekommen ist es tatsächlich, daß Aktenstücke, die der Magistrat dem Bürgerausschuß zur Einsichtnahme vorgelegt hatte, wörtlich in Zeitungen erschienen. Und die Berichterstattung über die Sitzung in der Presse wurde vielleicht sogar ausführlicher, als sie es zur Zeit der Öffentlichkeit gewesen war. Sie wurde nur eben mit Zusätzen versehen wie: "Wie wir erfahren haben" oder " Wir haben gehört, daß..." usw.
Der Bürgerausschuß blieb bis zum 30.06.1919 im Amt. Dann wurde er durch die Stadtverordnetenversammlung abgelöst. Da ein Teil der Akten weitergeführt wurde, soll hier kurz auf sie eingegangen werden. Sie wurde gewählt aufgrund der " Städteverordnung für den Freistaat Mecklenburg- Schwerin". Auch diese Stadtordnung kannte noch den Begriff des Bürgerrechts als Voraussetzung des Wahlrechts, nur war es ganz wesentlich erweitert worden. Außerdem brachte es nicht extra erworben werden, sondern fiel dem Betreffenden automatisch zu. Das Bürgerrecht fiel zu ( § 8) allen Gemeindeangehörigen, wenn sie 1.) deutsche Staatsbürger, 2.) mindestens 20 Jahre alt und 3.) mindestens seit drei Monaten am Ort ansässig waren. Das galt gleichmäßig für Männer wie Frauen. Vom Wahlrecht ausgeschlossen (§ 9) war lediglich 1.) wer entmündigt war und 2.) wem die bürgerlichen Ehrenrechte gerichtlich abgesprochen waren. Jeder Wahlfähige war zur Übernahme des Posten eines Stadtverordneten verpflichtet, wenn er nicht 1.) chronisch krank, 2.) über 60 Jahre alt, 3.) schon einmal Stadtverordneter gewesen war und 4.) konnte er ablehnen, wenn ihn sein Beruf zu häufiger Abwesenheit vom Ort zwang. Außerdem konnte die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag in Einzelfällen weitere Befreiungsgründe zu lassen. Die Wahl erfolgte auf drei Jahre, als geheime Wahl mit gebundenen Listen im Verhältnissystem. Die Zahl der Stadtverordneten betrug 50.
Die Stellung der Stadtverordnetenversammlung dem Rat gegenüber war erst als die des Bürgerausschuß § 24 lautet : " Die Stadtverordnetenversammlung hat, soweit andere Bestimmungen nicht entgegenstehen über alle Gemeindeangelegenheiten allein zu beschließen.
Jedoch bedürfen Verfügungen über städtisches Vermögen, die Eingehung von Verbindlichkeiten und Beschlüsse, die in anderer Form als durch Ortsatzungen Ausgaben für die Stadt bedingen, der Zustimmung des Rates". Konnten sich in Fällen, da die beiderseitige Zustimmung erforderlich, die Parteien nicht einigen, wurde zunächst ein Vermittlungsausschuß gewählt ( für jeden Fall neu zu wählen ). Konnte dieser keine Einigung herbeiführen, konnte als letzte Instanz der Landesverwaltungsrat angerufen werden. Dies Recht stand beiden Seiten zu, wurde aber anscheinend selten ausgeübt.
Weiter hatte die Stadtverordnetenversammlung nach § 25 die Verwaltung zu überwachen. "Sie ist berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse zu überzeugen". Konnte zu diesen Zweck auch besondere Ausschüsse ernennen. Ferner bestimmte § 21, daß die Wahl sämtlicher Ratsmitglieder durch die Stadtverordnetenversammlung erfolgen mußte. Abstimmung en bloc war nicht zulässig, es mußte jeder einzelne gewählt werden. Bei Stimmengleichheit entschied bei Wahlen das Los, in allen anderen Fällen galt Stimmengleichheit als Ablehnung des Antrages.
Zum 31.03.1933 wurde aufgrund des Gesetzes zur Gleichschaltung der Verwaltungen die damalige Stadtverordnetenversammlung aufgelöst. Es kam noch im gleichen Jahr zu einer etwas fragwürdigen Neuwahl.
Anscheinend war das Ergebnis nicht ganz befriedigend, jedenfalls wurde auch sie vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst, (01.04.1935 ).An ihre Stelle trat ein " Gemeinderat ", der nun allerdings nur noch eine Karikatur einer Stadtvertretung war. Aus der neuen Gemeindeordnung von 1935 :" § 51 Der Beauftragte der NSDAP beruft im Benehmen mit dem Bürgermeister die Gemeinderäte. Bei der Berufung hat er auf nationale Zuverlässigkeit, Eignung und Leumund zu achten". Der Gemeinderat war ein ausschließlich beratendes Organ, das keine Beschlüsse fassen durfte, und nur nach Befinden des Bürgermeisters zusammengerufen wurde. Die Tagesordnung bestimmte ebenfalls der Bürgermeister.
Der Bürgerausschuß kannte keine Parteien ( 1832 gab es ja auch im heutigen Sinn noch keine ). Gewählt wurde grundsätzlich die Person und zwar jeder Repräsentant einzeln, Listen gab es nicht. Ob der Mann daneben noch einer Partei angehörte, war seine Sache. Amtlich wurde davon nicht Kenntnis genommen. Es ist deshalb nicht möglich, ein Bild der parteimäßigen Zusammensetzung des Bürgerausschusses zu geben. Im großen und ganzen überwog ein ziemlich gemäßigter Liberalismus, der etwa von 1845 bis 1860 einen Trend nach links zeigte, ab etwa 1890 dagegen gelegentliche konservative Züge annahm. Das war bei der Zusammensetzung der Wählerschaft kaum anders zu erwarten, der Bürgerausschuß war ja - etwas überspitzt ausgedrückt - eine Filiale des " Vereins Schweriner Hausbesitzer ".
Die Stadtverordnetenversammlung kannte dagegen offiziell Parteien und Listenwahl.
Wahlperiode
1919-1922 1922-1924 1925-1927 1928-1930 1931-1933 1933-1935
Bürgerliche Einheitsliste 23 28 22 23 13 -
SPD 18 15 16 18 16 9
Deutsche Demokratische Partei 9 4 7 2 - -
KPD - 2 1 - 1 -
USPD 1 - - - - -
Nationalsozialistische Freiheitsbewegung - - 3 - - -
Wahlverein der Angestellten - - 1 1 - -
" für Volkswohlfahrt - - - 4 3 -
" " sparsame Stadtwirtschaft - - - 2 3 -
NSDAP - - - - 14 20
Kampffront Schwarz- Weiß- Rot - - - - - 7
Deutsche Volkspartei - - - - - 1
Der vorliegende Bestand umfaßt den Zeitraum von 1831 bis 1935. Das hat innere Gründe, 1831 wurde der erste Bürgerausschuß gewählt, 1935 die letzte Stadtverordnetenversammlung aufgelöst. Der weitaus überwiegende Teil der Akten gehört in die Zeit des Bürgerausschusses, die Stadtverordnetenversammlung hat nur einzelne Akten weitergeführt. Wo die eigentlichen Akten der Stadtverordnetenversammlung verblieben sind, ist nicht bekannt, sie sind verschollen. Auch die Akten des Bürgerausschusses sind nicht vollständig. Das läßt sich anhand eines gebliebenen Aktenverzeichnisses beweisen. Unter dem Fehlenden befinden sich leider auch sämtliche Sitzungsprotokolle. Ob sie bei einer Umordnung bewußt vernichtet worden sind, ist nicht beweisbar, aber möglich. Ursprünglich waren nämlich -das ist deutlich aus dem Registraturvermerken erkennbar - die Akten nach den Sitzungen angelangt. Um 1900 herum wurden dann die Sitzungsakten völlig auseinandergenommen und in Sachbetreffsakten umgeordnet. Ob dabei die Protokolle als nicht einordenbar kassiert worden sind ? Es ist zu auffällig, daß auch nicht ein Einziges erhalten geblieben ist. Die Signierung erfolgte mit einer zweistelligen Zahl und einem oder zwei Buchstaben. Da jedoch Zahlen und vor allem Buchstaben in Lauf der Jahre mehrmals geändert worden sind, war damit bei der Bearbeitung nicht viel anzufangen. Die Akten sind deshalb im Archiv völlig neu gegliedert worden.
Angeschlossen wurde der Splitterbestand " Kleiner Ausschuß der Stadtverordnetenversammlung bei der Mecklenburg zu Schwerin". Dieser Ausschuß hat nur drei Jahre existiert und anscheinend keine große Tätigkeit entfaltet ( 1930- 1933 ).
Erich Brost, 1982
Nachtrag 1994
Der ziemlich in Unordnung geratene Bestand wurde gesichtet und neu geordnet.
Die Nummern 75,76,177 und 184, fehlten. Die Nummern 10 und 148 sind unbelegt.
Entsprechend der Funktion des Bürgerausschusses als Finanzkontroll- und Rechtssitzungorgan befassen sich die Akten in erster Linie mit der Genehmigung von Ausgaben,(incl. Personalfragen) und dem Erlaß städtischer Satzungen. Da der Bürgerausschuß ebensowenig wie die Stadtverordnetenversammlung über einen eigenen bürokratischen Apparat verfügte, sind die Akten daher oft recht kurz und nicht besonders aussagekräftig. Sie dienen aber dennoch in den meisten Sachfragen als sinnvolle Ergänzung der entsprechenden Magistratsakten.
Dr. Bernd Kasten, November 1994
Laufzeit: 1823-1935 aktualisiert am: 23.11.2021
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